Wenn Sie also den Eindruck haben, dass dieser
Artikel ein sehr starkes Plädoyer ist
1. für das möglichst exakte UND einheitliche
Erfassen von Phänotyp- bzw. Exterieur-
mittels Linearer Beschreibung
,
2. um damit die Voraussetzungen für eine
genomische Selektion zu schaffen und
3. um optimal für die Herausforderungen
durch hellwache und aktive Mitbewerber
gewappnet zu sein und
4. damit die Voraussetzungen für eine
erfolgreiche und zukunftsfähige, deutsche
Pferdezucht zu gewährleisten,
…dann trifft dieser Eindruck genau zu!
Eben diesem Zwecke dient dieser Artikel, neben dem
rein informativen Charakter.
Lassen Sie mich am Schluss jedoch weitere Zukunftsop-
tionen skizzieren, die mit der genomischen Selektion
verknüpft sind. Schon heute ist es technisch möglich,
aus einem Embryo genomische Daten auszulesen und
diesen exakt genetisch zu charakterisieren mit all sei-
nen Stärken und Schwächen, ohne ihn zu beschädigen.
Bevor dieser also einer Stute eingepflanzt wird, kann er
auf Gefallen oder eben Nichtgefallen untersucht werden
und je nach Wunsch der Stute eingesetzt werden oder
für einen eventuellen späteren Gebrauch in den Gefrier-
schrank wandern. Vielleicht wünscht der Züchter ja grad
einen Schimmelhengst mit ausgeprägt guten Spring-
eigenschaften und einer Größe unter 170 cm. Vielleicht
möchte er später aber eine Rappstute mit hoher Mütter-
lichkeit und ausgezeichneter Fruchtbarkeit.
Entsprechend kann ereinen Embryo
auswählen, der seinen
Vorstellungen am nächsten kommt.
Doch nicht genug damit:
Die jüngsten Entwicklungen der
Gentechnik erlauben viel weitergehende Möglichkeiten.
Die bis vor Kurzemnoch sehr teuren Optionen des „gene-
tischen Editierens“, also einer gezielten Umgestaltung
des Erbgutes, das zudem nur einigen wenigen Laboren
weltweit vorbehalten war, wurden dramatisch verein-
facht und sind geradezu billig geworden. Das Kennwort
für diese Technik, die als der großeDurchbruch des Jahres
2015 gilt, heißt „CRISPR/Cas-Technologie“
(Abb. 5)
. Dieses
Kürzel steht für ein Verfahren, die Sequenz des Erbgutes
einfach und präzise zu verändern, wie dies bis vor sehr
wenigen Jahren unvorstellbar war. Damit können Gen-
abschnitte zuverlässig und nahezu beliebig umgestaltet
werden und das auch so, dass es hinterher nicht mehr
als künstlicher Eingriff in das Erbgut erkennbar ist. Mit
anderen Worten:
Das CRISPR/Cas-Verfahren wird es erlauben, mit ein-
fachen und preiswerten Mitteln aus jedem Fuchs oder
Schecken einen Rappen zu machen!
So unglaublich dies klingt, technisch ist es greifbar nahe
und zeigt uns, dass wir unsere Anstrengungen für eine
moderne Tierzucht untrennbar mit ethischen Überle-
gungen und Entscheidungen begleiten müssen. Gerade
was die Ethik in der Gentechnologie betrifft, kommt
Deutschland nachmeiner Einschätzung eine Vorbildrolle
zu. Tierschutzgesetz, Gendiagnostikgesetz und Embry-
onenschutzgesetz sind nur einige Beispiele für unsere
vergleichsweise hohen Standards auch für die Genomik.
Lassen Sie uns also – wedertechnisch
noch ethisch – derKonkurrenz
hinterherlaufen.
Noch haben wir die Chance, uns an die Spitze zu setzen.
Wir sollten keine Gelegenheit auslassen, diese Chance
auch zu nutzen zum Wohle unserer Pferde, selbst wenn
dies bedeutet, an der einen oder anderen Stelle mal über
den eigenen, züchterischen Schatten zu springen gerade
im Blick auf Kooperationen mit anderen Zuchtverbän-
den. Das Ziel ist hehr und verlangt gemeinsame Kraft-
anstrengungen.
ImSinne einer erfolgreichen deutschen
Pferdezucht ist es dies allemal wert!
: TOP-THEMA
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